SO MANY WAYS – KRISTIANA
33 Jahre, aus Riga, Litauen
“Ich habe keine Wohnung mehr, alle meine Sachen sind in meinem Van. Ich nenne ihn meinen ‘Möchtegern-Van’.”
Kristiana – Praia Do Beliche, Portugal
33 Jahre, aus Riga, Lettland
Kristiana hatte nicht vor, in dem Van zu leben. Im Oktober 21 kam sie nach Lissabon, um ihren zweiten Master-Abschluss in pharmazeutischem Ingenieurwesen zu machen. Schnell merkte sie, dass es nicht das war, was sie sich vorgestellt hatte, und brach das Studium nach dem ersten Semester ab. Seit Januar reist sie mit ihrem kleinen Van durch Portugal. Er ist ein wenig improvisiert. In Lettland kaufte sie den Van für kurze Wochenendausflüge ans Meer, um zu surfen, hatte aber nicht vor, Vollzeit darin zu leben. Sie fuhr den ganzen Weg von Lettland nach Portugal, mit all ihren Habseligkeiten darin, um ihr Studium zu beginnen. Momentan hat sie keine Wohnung mehr.
Nach Abschluss ihres ersten Masterstudiums in pharmazeutischen Wissenschaften arbeitete Kristiana viele Jahre lang in der Pharmaindustrie. Ihr Plan, einen zweiten Master in Lissabon zu machen, war nur ein Vorwand, um im Ausland leben zu können. Eine Gelegenheit, dem Alltagstrott zu entkommen. Ein Job von neun bis fünf, fünf Tage die Woche, mit nur vier Wochen Urlaub pro Jahr – das kam ihr wie ein Todesurteil vor. Ein Katalysator, ihr altes Leben zu ändern, war der Ausbruch der Corona-Epidemie. Es machte sie depressiv zu realisieren, dass ihr Leben vor dem Lockdown nicht anders war als während des Lockdowns. Es hatte sich überhaupt nicht verändert.
Das Beste am Leben in einem Van ist für sie, alles, was sie braucht, an einem Ort zu haben. Ihr Wagen ist klein und sieht nicht aus wie ein Van, in dem jemand wohnt. Deshalb hat sie auch nie Probleme, einen Platz zum Schlafen zu finden. Die Polizei übersieht sie normalerweise.
Gerade fühlt sich Kristiana ein wenig verloren. Sie lebt von ihren Ersparnissen. Im August, nach acht Monaten im Van, muss sie zurück nach Lettland zur Hauptuntersuchung ihres Autos. Die Ungewissheit, was auf sie zukommt und in welchem Job sie dann arbeiten möchte, macht ihr ein wenig Angst. Sie weiß, dass sie nicht wieder in das Hamsterrad eines Nine-to-Five-Jobs einsteigen will. Derzeit versucht sie, einen Weg zu finden, ihren jetzigen Lebensstil beizubehalten, einen Job zu finden, bei dem sie remote arbeiten kann. Leider ist dies in der Pharmabranche eher unüblich.