SO MANY WAYS – LIMO
29 Jahre, aus dem Saarland, Deutschland
„Alles können. Nichts müssen. Freiheit. Selbstbestimmtes Leben. Simpel. Super simpel. Aber ohne das Gefühl, auf etwas verzichtet zu haben.“
„Ich mache Menschen gerne eine Freude. Ich sehe gerne, wenn Menschen sich wirklich freuen und wenn Dankbarkeit entgegengebracht wird. Das habe ich nie empfunden, auf der Arbeit. Die waren unglücklich, wenn man gekommen ist. Die waren aber auch unglücklich, weil man daheim geblieben ist. Also da gab es keine Dankbarkeit, da gab es nur Geld.“
Limo – Sages, Portugal
29 Jahre, aus dem Saarland, Deutschland
Limos Lebensplan vor ein paar Jahren: spätestens mit 30 Jahren ein eigenes Haus gekauft zu haben. Frei stehend, mit Doppelgarage und zwei Autos … jetzt ist er froh, dass es nicht so gekommen ist. Seine Einstellung zum Leben hat sich grundlegend geändert.
Seit Beginn seiner Ausbildung vor 12 Jahren hat Limo für dasselbe Unternehmen im Saarland gearbeitet. Elektriker gelernt, Meisterbrief, dann Qualitätsmanagement und Prozessoptimierung. Er verdiente ein Vielfaches von dem, was er zum Leben benötigt, konsumiert kaum. Das meiste Geld legt er zur Seite. Für ihn ist Arbeit ein Mittel zum Zweck, sein Herz hängt nicht daran. Sein Ziel, mit möglichst geringem Aufwand viel Geld verdienen.
2017 macht er seine erste Tour mit einem Van nach Portugal. Eigentlich kein richtiger Van, ein dreitüriger Ford Fiesta, in den er eine Matratze legt. Als der Fiesta den Geist aufgibt, kauft er seinen Ford Transit, baut diesen nur spartanisch für den ersten Trip aus, der Wagen ist bis heute so geblieben. Limo fällt schnell auf, wie wenig er seine Wohnung eigentlich noch nutzt. Tagsüber arbeitet er, ist unterwegs, kommt abends nur für ein paar Stunden zum Schlafen nach Hause. Er gibt seine Wohnung auf und zieht kurzerhand in seinen Van, spart die 500 € Miete lieber. Sanitäranlagen nutzt er einfach in seinem Unternehmen.
Jeden seiner Urlaube verbringt er am Meer, um zu surfen. Der Gedanke, längere Zeit unterwegs zu sein, nicht nur begrenzt auf zwei Wochen Urlaub, begleiten ihn schon eine Weile. Seinen gut bezahlten Job möchte Limo aber zu dem Zeitpunkt nicht aufgeben. Er beantragt eine längere unbezahlte Auszeit. Die Firma stellt sich zunächst quer. Limo pokert und droht mit Kündigung. Das Unternehmen möchte ihn als hoch qualifizierten Mitarbeiter nicht verlieren, sie lassen sich auf einen Deal ein. Er kann bis zu vier Jahre unterwegs sein, ohne seine Stelle zu verlieren. Limo macht seine erste einjährige Tour.
Eine Knieverletzung vor ein paar Jahren hat ihm die Augen geöffnet. Warum auf die Rente warten, bis man sich Leben gönnt? Vielleicht kann er in ein paar Jahren nicht mehr surfen. Lieber jetzt leben, als Leben verpassen. Lieber Geldprobleme im Alter, und das Geld genießen, wenn man jung ist. Nach einem Jahr kehr Limo zurück in das Unternehmen, das erste Jahr der Coronapandemie. Das Blatt hat sich gewendet, seine Firma muss im Zuge der Krise Stellen abbauen, würde ihn jetzt gerne kündigen. Wieder geht Limo aufs Ganze, gibt vor, bleiben zu wollen. Am Ende zahlt ihm die Firma eine hohe Abfindung, damit er geht. Im Dezember 2021ist er raus und macht sich mit seinem Van auf, wieder Richtung Portugal.
Anfangs dachte er, es sei sein Traum von unterwegs zu arbeiten. Bis er festgestellte, dass er so auch nicht frei ist, weil seine Gedanken immer bei der Arbeit wären, er immer noch eine Marionette, nur an einem anderen Ort. Für ihn ist es ein Spiel, Lebenszeit gegen Geld. Die Frage war, wann hört er auf, dieses Spiel mitzuspielen. Mit seiner Entscheidung den Job zu verlassen fühlt er sich frei, er ist raus aus dem System, weg von dem Konsumwahnsinn. Er hat nicht mehr den Druck, nur begrenzt Zeit für seinen Trip zur Verfügung zu haben, danach wieder zu seinem Job zurückzumüssen. Das hat ihn komplett entschleunigt. Während er früher die Küste rauf und runter gefahren ist, in der Angst, irgendwo die perfekte Welle zu verpassen, verbringt er seine Zeit jetzt oft ganz im Süden Portugals. Er wartet einfach ab, bis in der Gegend um Sagres herum wieder ein guter Tag zum Surfen ist. Ansonsten vertreibt er sich die Zeit einfach in seiner Hängematte am Strand.
Limo hat sich ausgerechnet, dass er mit dem Polster, welches er sich angespart hat, bei seinem minimalistischen Lifestyle mit geringen Ausgaben so weiterleben kann, bis er 70–80 Jahre alt ist. Er sagt nicht, dass er nie wieder arbeiten wird, vielleicht findet er eines Tages seine Passion. Einen Fulltime-Job will er nicht mehr machen. Vielleicht zwei, drei Monate am Stück, um Geld zu verdienen. In Österreich oder der Schweiz, da mag er die Landschaft, die Berge. Er könnte sich vorstellen, für Surfwavepools zu arbeiten, die gerade überall in Europa gebaut werden, so seine Leidenschaft und sein Surf-Wissen einzubringen.
Ein Hintertürchen hält er sich offen, ist nicht ganz raus dem System. Durch seine langjährige Beschäftigung hat er in Deutschland weiterhin Anspruch auf Arbeitslosengeld. Hartz IV steht nicht zur Diskussion, er will dem Steuerzahler nicht auf der Tasche liegen, aber das Arbeitslosengeld ist eine Versicherung, in die er lange Jahre eingezahlt hat. Das will Limo auch ausnutzen, zum Beispiel, wenn er nach Deutschland fährt, um seine Familie zu besuchen. Bezahlter Heimaturlaub sozusagen. Limo sagt, er hat das System durchschaut. Man muss nur wissen, wie man es nutzt.
Wenn sein Auto kaputtgeht, will er es nicht mehr reparieren. Ein Auto weniger auf dem Planeten. Limo denkt über ein kleines Segelboot nach, mit dem er die Küste entlang schippern kann, unabhängig von Kraftstoff, einfach den Wind ausnutzen. Wie früher Christopher Kolumbus.